Vereinsgeschichte

LSV Rhein-Main – zeitgemäß seit mehr als siebzig Jahren

Nach dem Zweiten Weltkrieg verbot die Alliierte Militärregierung in Deutschland jegliche fliegerische Betätigung. Verständlicherweise, denn die Luftwaffe hatte bei den Überfällen Deutschlands auf benachbarte Länder unter anderem die Städte Warschau, Rotterdam, Belgrad und Coventry ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung bombardiert. Zudem hatte das Dritte Reich die Sportfliegerei vereinnahmt und im Grunde zusammen mit den aufgelösten Luftsportvereinen abgeschafft. Vom Modellflug bis zum Motor-Kunstflug stand die Auswahl und spätere Ausbildung von Nachwuchs für die Luftwaffe im Mittelpunkt der vorgeblich luftsportlichen Aktivitäten.

Ab 1949, als die D-Mark eingeführt war und der wirtschaftliche Aufschwung in der neugegründeten Bundesrepublik begann, wünschten sich viele Männer und Frauen, privat und ohne staatliche Zwänge fliegen zu dürfen. In Hochheim am Main war es Hermann Kirsch, ehemaliger Fluglehrer an der Jagdfliegerschule in Schwechat bei Wien, Luftwaffen-Testpilot und in späteren Jahren Leiter der Luftfahrtabteilung beim damaligen Regierungspräsidenten in Neustadt an der Weinstraße, der die Fluginteressierten um sich scharte. Hermann Kirsch machte zusammen mit Gleichgesinnten durch einen Auftritt beim Hochheimer Fastnachtszug 1949 unter dem Motto „Wonn dürfe mer wieder flieche?“ erstmals auf die Hochheimer Luftfahrtfreunde aufmerksam. In den Folgemonaten nahm Hermann zu dem aus der Vorkriegszeit bekannten Segelflieger Wolf Hirth Kontakt auf, der die Wiedergründung des Deutschen Aeroclubs betrieb und die Flugbegeisterten dringlich bat, jegliche illegale Aktivitäten zu unterlassen und ganz auf politische Kontakte und Öffentlichkeitsarbeit zu setzen. Hermann beantragte 1950 bei der zuständigen Kreisverwaltung die Gründung eines Luftsportvereins, die der damaligen Rechtslage entsprechend verweigert wurde. Auch die Kontaktaufnahme zu einem Vertreter der Militärregierung bei der Kreisverwaltung konnte keine Änderung  einleiten. Stattdessen fand bei Familie Kirsch in Hochheim eine Hausdurchsuchung statt, aus der sich aber kein Anhaltspunkt für illegales Verhalten ergab. Darauf hin gestattete Mr. Edwin als lokaler Vertreter des Alliierten Hohen Kommissars die Gründung einer Interessengemeinschaft und stellte nochmals klar, dass die eigentliche Vereinsgründung bis zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 23 des Alliierten Kontrollrats verboten sei.

Wolf Hirth und Hanna Reitsch gratulierten zur Vereinsgründung

In der Zwischenzeit hatte sich Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer gegenüber den Alliierten für den Luftsport eingesetzt. Nach Freigabe des Modellflugs durch die Alliierten konnte dann am 18. August 1950 die Vereinsgründung erfolgen. Dem neugegründete Luftsportverein gratulierten viele prominente Luftsportler, darunter Wolf Hirth, der den Deutschen Aero Club wieder ins Leben gerufen hatte, Hanna Reitsch, einerseits Ausnahmefliegerin, vielfache Meisterin und Testpilotin und 1952 als WM-Dritte wieder erfolgreich im Segelfug-Spitzensport, andererseits tief ins Nationalsozialistische Regime verstrickt, sowie Oskar Ursinus, der nach dem 1. Weltkrieg als „Rhönvater“ dem Segelflug auf die Beine geholfen und die Rhön-Segelflugwettbewerbe als Vorläufer der späteren Segelflug-Weltmeisterschaften begründet hatte. 1951 wurde endlich der Segelflug in Deutschland wieder erlaubt. Zu der vom Vorstand angedachten Aufnahme des Segelflugs im damaligen Luftsportverein Hochheim kam es jedoch nicht, weil rund um Hochheim kein geeignetes Fluggelände zu finden war.

Großen Zulauf erlebte der Verein in den 1960er Jahren. Der Hochheimer Architekt Heinz Renker unterstützte die Vereinsarbeit großzügig und brachte eine zuvor von ihm gegründete Modellfluggruppe in den Verein ein. Der neu aufgestellte Verein lies sich als Jugend und Technik e.V. ins Vereinsregister eintragen. Heinz wurde 1. Vorsitzender, Hermann Referent für Segelflug und Motorflug. 1969 weihte der Verein mit einem Modell-Flugtag sein neues Modellfluggelände in den Hochheimer Mainwiesen ein. Sogar eine betonierte Startbahn hatte der Modellflugplatz.

Die Fluggruppe siedelt sich in Worms an

1969 ergab sich für den Luftsportverein endlich die Gelegenheit, an einem Flugplatz heimisch zu werden. Auf dem Flugplatz Worms konnte ein Grundstück gepachtet werden. Architekt Heinz Renker entwarf eine Halle mit Vereinsheim, weitgehend in Eigenleistung der Mitglieder entstand 1973 das Gebäude. Mit der Anschaffung eines Motorseglers des Typs Fournier RF 5 mit dem Rufzeichen

D-KAHG konnte der inzwischen in Luftsportverein Rhein-Main Hochheim am Main e.V. umbenannte Verein seinen Mitgliedern ein preisgünstig zu fliegendes, doch leistungsfähiges Flugzeug bieten. Zudem bildeten Versinsmitglieder eine  Haltergemeinschaft, die ein viersitziges Kunststoff-Motorflugzeug vom Typ Wassmer Wa 51 erwarb, dass die Vereinspiloten zu günstigen Bedingungen chartern konnten. Die Wa 51 wurde zusammen mit der RF 5 in den 1970er Jahren jeden Sommer für zwei bis drei Wochen in Sankt Johann in Tirol stationiert und dort zu ausgedehnten Alpenflügen eingesetzt.  Zum preisgünstigen Motorfliegen beschaffte der nach dem Wechsel nach Worms in Luftsportverein Rhein-Main umbenannte Verein zusätzlich eine Cessna F 150.

Modellflugtage, aber auch die Alpen-Fluglager in Sankt Johann stärkten den guten Ruf des Vereins unter Modellfliegern und Motorfliegern. In Sankt Johann wurde ein Team des LSV Rhein-Main sogar Sieger des internationalen Sternflugs zu dem Tiroler Gebirgsflugplatz. Zusätzlich zur Wassmer der privaten Haltergemeinschaft erwarb der Verein eine Cessna F 150. Das Flugzeug war zwar eigentlich ein Zweisitzer, hatte jedoch eine hintere Sitzbank, auf der zwei Kinder unter Beachtung von Abfluggewicht und Schwerpunkt legal Platz finden konnten.

Im April 1984 nannte sich der Verein im Rahmen einer Satzungsänderung in Luftsportverein Rhein-Main e.V. um. Heinz Renker wurde Präsident, Kurt Müller führte als geschäftsführender Vorsitzender den Verein. Nach dem Tod Heinz Renkers wurde das Amt des Präsidenten vorerst nicht wieder besetzt.

1985 kaufte der LSV Rhein-Main die D-KAKK, einen Motorsegler des Typs Grob G 109. Die G 109 zeichnete sich durch eine für Motorsegler hohe Reisegeschwindigkeit von bis zu 190 km/h aus, war mit einem Stundenverbrauch von rund 17 Liter Autobenzin sehr genügsam, und der 100 Liter-Tank reichte für bis zu fünf Stunden Flugdauer. Die Grob ermöglichte den Vereinsmitgliedern bei geringen Kosten weite Flüge. Unter anderem landete der Motorsegler auf Flugplätzen in Griechenland und Spanien.

Im Jahr 1987 beschaffte der Verein die viersitzige Cessna F 172 D-EGBW, mit der LSV-Pilot Andreas Kroemer im Oktober 1988 nach Fez in Marokko flog.

Im Juli 1991 wurde Andreas Kroemer als Nachfolger Knut Müllers zum Vorsitzenden gewählt und führte den Verein bis 2003, als er in das Amt des Präsidenten wechselte. 1998 baute Günter End eine vereinseigene Motorflugschule auf, die er als Ausbildungsleiter führte.

Ultraleichtflug seit Ende der 1990er Jahre

In den 1990er Jahren hatte das preisgünstige Fliegen mit Ultraleichtflugzeugen stark an Beliebtheit gewonnen. Als einer der ersten Luftsportvereine in Rheinland-Pfalz bildete der LSV Rhein-Main 1999 eine Ultraleicht-Fluggruppe, beschaffte eine Fk 9 mit Spornradfahrwerk des Speyerer Herstellers FK-Aircraft und nahm mit Manfred Gräf als Fluglehrer die Ausbildung von UL-Piloten und die Umschulung von Motorfliegern und Motorsegler-Piloten auf. 1996 war Manfred Spitz zum Schatzmeister gewählt worden und übte dieses Amt 18 Jahre lang, bis 2014, mit großem Erfolg aus.

Aus für das Modellfluggelände, Aufschwung der UL-Fliegerei

Einen schweren Rückschlag musste die Modellfluggruppe des LSV Rhein-Main hinnehmen, als die Hochheimer Mainwiesen, in denen das Modellfluggelände lag, unter Naturschutz gestellt wurden und der Modellflug auf  behördliche Anordnung eingestellt werden musste. Ein neues Modellfluggelände ließ sich in der Nähe Hochheims nicht finden, so dass die Modellflieger des  Vereins seither in Kooperation mit benachbarten Modellfluggruppen auf deren Geländen fliegen. 2001 kaufte der LSV mit dem Evektor EV Eurostar ein modernes Ultraleichtflugzeug in Ganzmetallbauweise und 100 PS, das nach wie vor im Dienst steht. Dank kurzer Startstrecke, bester Sicht aus dem Cockpit und hoher Reisegeschwindigkeit ist der Eurostar bei den Pilotinnen und Piloten des Vereins sehr beliebt für Alpenflüge.  Um den bundesweiten Ultraleichtflugverband  DULV zu unterstützen, der sich besondere Verdienste um die Etablierung der Ultraleichtfliegerei in Deutschland erworben hat, trat der Verein auch diesem Verband bei.

Im Juni 2003 wurde Heike Sturmhöfel zur Vorsitzenden gewählt, unter deren Leitung der LSV Rhein-Main 2005 vom hessischen Luftsportbund zum Luftsport-Verband Rheinland-Pfalz wechselte. Damit war der Tatsache Rechnung getragen, dass der Verein seinen Mittelpunkt in Worms hatte. Zeitgleich wurde beim Ändern der Satzung die Organisation des Vereins gestrafft und das Präsidentenamt abgeschafft. In den Folgejahren nahmen Pilotinnen und Piloten des LSV Rhein-Main mit der Grob G 109 und mit dem Eurostar gerne an den Alpenflugeinweisungen mit Landungen auf anspruchsvollen Hochgebirgspisten teil, die Günter End vom Flugplatz Gap aus in den französischen Alpen durchführte.

Ebenfalls 2005 wurde das Vereinsheim umgebaut, eine neue Heizung installiert, eine moderne Köche eingebaut und der Schulungsraum so gestaltet, dass er im Handumdrehen als gemütliche Fliegerlounge genutzt werden konnte.

2010 feierte der Verein mit einer Party vor der Flugzeughalle sein 60-jähriges Bestehen. In Anerkennung ihrer großen Verdienste um sicheres, preiswertes Fliegen im LSV Rhein-Main wurden die ehemaligen Vorstandsmitglieder und langjährigen Flugzeugwarte Ali (August) Thoms und Herbert Ziegler zu Ehrenmitgliedern ernannt.

In den 2010er Jahren waren bei den Pilotinnen und Piloten des Vereins vor allem die Flugplätze an der Nordsee, inklusive des „Flugzeugträgers“ Helgoland-Düne beliebt.

Im Jahr 2011 ging die Grob bei einem Startunfall verloren, den Pilot und Passagier mit Verletzungen überlebten. Damit endete die Motorsegler-Epoche des Vereins. Als Nachfolger der Grob erwarb der LSV Rhein-Main von der Sportfluggruppe von Airbus in Toulouse ein zweisitziges Motorflugzeug Aquila

A 210 des brandenburgischen Herstellers Aquila Aviation. Der 2011 zum Vorsitzenden gewählte Bernd Sauerbrey und Manfred Spitz überführten die Aquila bei prächtigem Flugwetter Mitte November des gleichen Jahres ohne Zwischenlandung nach Worms. Aus der F-HARB wurde die D-EKHA. Damit  setzte der LSV Rhein-Main als einer der ersten Luftsportvereine der Region auf die Aquila, die dank der großen, 120 Liter fassenden Tanks und der hohen Reisegeschwindigkeit von bis zu 220 km/h, hervorragender Sicht aus dem Cockpit und des geräumigen Gepäckraums ein gern genutztes Reiseflugzeug ist. Längste Flugstrecke der Vereins-Aquila an einem Tag war 2021 ein Flug von Sibiu/Hermannstadt in der Mitte Rumäniens mit Landungen in Debrecen und Fertöszentmiklos in Ungarn nach Worms.

Das Jahr 2020 war von der Coronakrise geprägt, und erstmals in der Vereinsgeschichte ruhte der Flugbetrieb für vier lange Wochen bei bestem Frühjahrswetter. Auch 2021 galten strenge Regeln zur Corona-Prävention, die es beispielsweise unmöglich machten, den üblichen gemeinsamen Frühjahrsputz von Vereinsheim, Halle und Flugzeugen durchzuführen. Zum zweiten Mal in Folge musste wegen der Pandemie die Weihnachtsfeier abgesagt werden.

Im November 2021 wählte die Mitgliederversammlung als Nachfolger Bernd Sauerbreys nochmals Andreas Kroemer zum 1. Vorsitzenden.